Samstag, 4. Januar 2014

Der Weg

Ich gehe immer weiter
Ich gehe Schritt um Schritt
Ich drehe mich und drehe
Weiß nicht, geh ich vor, zurück?
Kein Ziel vor meinen Augen
Kein Wort in meinem Mund
Und schaue ich zu Boden,
die Füße sind ganz wund.

Wie viele Tage lauf ich schon?
Und wo  komm ich her?
Um mich rum ist stille Leere
Hab' keine Orientierung mehr.
Nichts, woran ich mich kann halten
Kein Platz, kein Ort, kein Paradies.
Und sehe ich nach hinten,
die Spuren, die ich hinterließ.

Ich würde alles dafür geben
ein einzig' Mal zu ruhen.
Einfach stehen bleiben
Und gar nichts mehr zu tun.
Der Weg vor mir unendlich
Die Weite hört nicht auf.
Und schau' ich in den Spiegel,
seh ich, wie ich lauf und lauf.


Samstag, 20. Juli 2013

Learning To Fly

Ein kleines Paradies, ein Ort, an dem man alles vergessen kann. Sonne, satte grüne Bäume, mit Vogelgezwitscher erwachen. Ein kleines Steinhaus im Süden Frankreichs. Département Ardèche. Ein großer Fluss und viele Berge. Ein kleines Bächlein hinter dem Haus. Ein kleiner Anbau, nur für das Rösten von Kastanien. Blumen. Hohes Gras, das die Waden kitzelt. Ein aufgeweckter Hund wuselt mir um die Beine. Ich genieße jeden Augenblick. Am Abend, wenn es langsam mit dämmern beginnt, schüren wir das Feuer und spitzen unsere Stöcke an, um ein bisschen Knüppelteig zu essen. Ein kleines Blech mit den für die Region typischen "marrons", was von Zeit zu Zeit ein bisschen knackt und knistert. Genau wie das Lagerfeuer. Der Nachbarsjunge kommt auf seinem Mofa angefahren und grüßt lachend, noch ehe er in den Bäumen verschwindet. Der kleine Bach hinter dem Haus plätschert munter und ich atme die klare Luft tief ein. Ein paar Oliven und ein Glas Wein, Gitarrenmusik mit französischen Texten, das Leben könnte nicht schöner sein.
Noch vor ein paar Wochen steckte ich im grauen und hässlichen Deutschland fest. Ein Desaster nach dem anderen. Ich weiß, niemand hat behauptet, dass es einfach wird, aber letztendlich kommt immer alles auf einmal. Ich bin so froh mal weg zu sein.
Ich habe mir nie Gedanken über das "Paradies" gemacht, doch wenn es eins gibt, dann bitte, bitte, es soll dieser Ort sein. Prades, ein kleines verschlafenes Nest mitten im nirgendwo. 6000 Einwohner, die sich alle beim Vornamen rufen und ihre selbst angebauten Lebensmittel tauschen wie Geschwister. Doch Prades ist noch ein Stückchen entfernt, machmal laufe ich mit Shiva, meiner treuen französischen Hunde-Madame runter um ein paar Kartoffeln bei Laurent zu kaufen.
Wir wohnen auf einem kleinen Hügel, der sich "Les Pousadous" nennt und auf keiner Landkarte existiert. Drei Häuser, ca. 10 min auseinander gelegen. Das erste Haus gehört zwei unheimlich freundlichen Niederländern, die uns jeden morgen mit frisch gebackenem Brot, Kuchen oder ein paar Salatköpfen überraschen. Sie haben zwei Söhne und einen aufgeweckten Jagdhund namens Cooper.. Im zweiten Haus wohnen wir. Eine typische "Künstler-Bude" mit riesigem Atelier. Überall hängen Bilder oder andere abstrakte Gebilde. Ich fühle mich mehr als wohl und würde hier am liebsten für immer verweilen. Eine Stube mit Kamin, der aber nur im Sommer benötigt wird. Eine riesige Küche, die dazu einlädt, sich kulinarisch auszutoben. Eine Ecke mit den verschiedensten Weinsorten aus der Region. Und dann noch die drei Zimmer, voll mit Büchern bis unter die Decke. Die Möbel sind aus einer Zeit, von der man gern träumen mag. Weiße frische Lacken, die mich in der Nacht mit sanftem Duft von Lavendel umhüllen. Ich kann mich nur wiederholen, es ist ein Paradies.
Das dritte Haus, ganz oben auf dem Berg, am Ende des Waldweges, gehört Jean-Marc. Ein herzlicher Mann, der seit einigen Jahrzehnten an Liebeskummer leidet und sich das Schlößchen auf "Les Pousadous" kaufte, als es als solches nicht mehr zu erkennen war. Er steckte viel Arbeit hinein und hat heute dort oben auch ein kleines Märchenschloß. Wir alle treffen uns mehrmals die Woche, jedoch ganz ohne Absprachen. Jeder bringt was mit und dann erzählen wir uns Geschichten aus fernen Ländern oder nahen Städten. Ich lausche gern Jean-Marc, sein gebrochenes Herz lässt alles in einem warmen und melacholischem Licht leuchten. Die Hunde spielen miteinander und tollen über die Wiese. Wir sitzen dann so da und lauschen und reden und lachen und weinen und singen und tanzen und vergessen, bis nur noch die Grillen zirpen. Dann sind wir wieder allein und jeder genießt diese kleine Stückchen Glück, was er in den Händen halten darf.

In den Morgenstunden schnappe ich mir meine Joggingschuhe und Shiva, und wir könnten Stunden laufen. Auf der Hälfte des Weges kommt uns das gelbe "La Poste"-Auto entgegen und die Frau winkt uns aufgeregt zu. Meistens laufen wir bis Jaujac und drehen dann um, wenn wir zu Hause ankommen, duftet es nach frischem Baguette und Kaffee. Nach einem ausgiebigem Frühstück, eher ein Brunch, kommt die Mittagssonne ums Haus und ich lege mich mit netter Lektüre in den Garten. Shiva kommt meistens nach und fläzt sich in meinen Schatten. Wenn es zu warm wird, hüpfe ich mal eben in das kleine Bächlein hinterm Haus.

Sobald die Mittagssonne ein bisschen milder ist, fahren wir in die umliegenden Dörfer und Städte, klappern Märkte ab oder spazieren einfach herum. Am Abend gibt es ein herrliches Essen, und die Nachbarn kommen wieder vorbei. Einmal war ich tanzen, ich konnte nicht aufhören zu lachen, es war utopisch.
So vergeht ein Tag nach dem anderen und es könnte ewig so weitergehen. Ich lege mich nun wieder in den Garten und genieße mein kleines Glück.